Darts1 WM Nachbetrachtung

Das größte Turnier im Dartzirkus ist vorbei und hat mit Michael van Gerwen seinen verdienten Sieger gefunden. Er war der beste der 72 Teilnehmer und durfte die Sid Waddell Trophy zum zweiten Mal in die Höhe stemmen. Es war eine Weltmeisterschaft mit vielen großen und schönen Momenten, aber auch mit ein paar negativen Punkten, von denen man gerne auch mal die eine oder andere Sache vergisst. Deswegen kommt hier unsere Nachbetrachtung der WM 2017.

Die Fans rocken den Ally Pally

Wo wäre der Dartsport ohne seine Fans? Gerade im Alexandra Palace ist die Stimmung immer eine ganz besondere, so auch in diesem Jahr. Viele Deutsche pilgerten gen Mekka und feuerten die Spieler auf der Bühne an. 7.500 Karten gingen an Leute aus der BRD und diese machten sich auch immer wieder lautstark bemerkbar. Sei es das lange „Oh wie ist das schön“ oder auch „Ohne Deutschland wär hier gar nichts los“. Die deutschen Fans haben in diesem Jahr mit ihrem Gesang und ihrer guten Laune die Massen mitgerissen und teilweise den Gesang bestimmt. Ein großes Dankeschön an alle die da waren und dies so möglich gemacht haben, das war eine ganz starke Leistung. Unglaublich war die Stimmung zumeist gegen Ende einer Partie, als die Fans ihr neues Lieblingslied sangen. Auch wenn ein paar Kollegen den Song nicht kannten, den Fußballfans war er natürlich sofort ein Begriff: „Don’t take me home, please don’t take me home. I just don’t wanna go to work, I wanna stay here and drink all ya beer! Please don’t, please don’t take me home!“ wurde schnell zum großen Hit im Palast und sorgte, gesungen aus allen Kehlen, für ein paar denkwürdige Momente.

Allerdings gab es nicht nur Highlights von Seiten der Fans. Blödsinnig waren zum Beispiel Schmähgesänge gegen einen jungen, deutschen Fußballprofi von RB Leipzig. Sicherlich hat derjenige mit einer Schwalbe selbst dafür gesorgt, dass der Unmut auf ihn fiel. Diesen aber mit zu einer Dart-WM zu bringen war doch mehr als unnötig. Dort kann man gerne die Spieler am Oche unterstützen oder sich selbst feiern. Gegen Fußballer kann man dann gerne wieder nach der Winterpause wettern. Auch die Flitzer waren ein absolutes No-Go bei der Weltmeisterschaft. Das Securitypersonal schien auf so etwas nicht genügend vorbereitet zu sein. Der erste konnte sich sogar nochmal losreißen und eine zweite Runde drehen. Noch wahnwitziger ist der Fakt, dass der zweite bei einem WM-Finale mit der Trophäe vor dem späteren Titelträger posieren konnte, in einer matchentscheidenden Phase. Klarer Daumen runter an diese Vollidioten, die so Matches kaputt machen können und natürlich auch Kritik an die Security, sowas darf nicht passieren. Wer selbst relativ ernsthaft Dart spielt, der weiß wie sehr einen Kleinigkeiten raus bringen können.

Die deutschen Spieler können zufrieden sein


Mit Dragutin Horvat und Max Hopp stellte Deutschland in diesem Jahr „nur“ zwei Teilnehmer. Waren es in den letzten beiden Jahren noch drei, mussten wir dieses Mal leider auf einen Startplatz verzichten. Dies tat der Stimmung und der Anerkennung in Deutschland jedoch keinen Abbruch. Dragutin gab sein Debüt, musste zunächst in der Vorrunde gegen Boris Koltsov ran. Er hatte einige Probleme auf der Bühne, zeigte aber einen fantastischen Kampfgeist. Vor allem nachdem ein wenig Zeit vergangen war, er sich an die Bühne gewöhnt hatte, legte er super los und zog in die erste Runde ein. Dort war der erfahrene Simon Whitlock, der mit seinen Finishes einen starken Tag erwischte, einfach noch eine Nummer zu groß. Aber Horvat wird mit dem erreichten durchaus zufrieden sein und auch von uns gibt es einen Daumen hoch für das WM-Debüt. Gerne wieder.

Max Hopp ist da trotz seines Alters deutlich erfahrener im Alexandra Palace und alleine schon wegen seiner Position in der Order of Merit durfte man von ihm etwas mehr erwarten. In der ersten Runde traf er auf Vincent van der Voort und erwischte keinen sonderlich guten Start, lag früh mit 0:1 zurück. Doch auch er zeigte aus welchem Holz er geschnitzt ist. Immer wieder warf er 180’er in wichtigen Momenten und auch die Doppel traf er. Dieses Mal gelang es ihm auch das Match zu beenden und mit 3:1 zu gewinnen. Damit löste er, ähnlich wie vor zwei Jahren, einen kleinen Boom in Deutschland aus, die Medien wurden wieder hellhörig. Gegen Kim Huybrechts lief es dann leider nicht so gut, er verlor klar mit 0:4, obwohl Huybrechts auch nicht sein bestes Spiel zeigte. Man muss nicht um den heißen Brei reden, da war mehr drin, aber Max konnte es an diesem Tag nicht zeigen. Dennoch hat er damit erneut viel Erfahrung gesammelt und was am wichtigsten ist, er hat seine Leistung von vor zwei Jahren, die aus der Order of Merit gestrichen wird, verteidigt. Sehr gut „Maximiser“!

Die Weltmeisterschaft der Rekorde

Es ist nicht überraschend, dass die WM mal wieder Rekorde brach. Das Niveau nimmt immer mehr zu und die Spieler zeigen dies auch jedes Jahr eindrucksvoll. Die nackten Zahlen belegten es in diesem Jahr. Es wurden einige Bestmarken geknackt. So zum Beispiel die Anzahl an 180’ern in einem Match. Im vergangenen Jahr konnten Gary Anderson und Adrian Lewis bereits einen neuen Rekord aufstellen, als sie 34 Maximums warfen. In diesem Jahr überboten der „Flying Scotsman“ und Michael van Gerwen diese Bestmarke um ganze acht 180’er, obwohl sie zwei Sätze weniger spielten. Nun liegt der Rekord bei 42 Maximums, doch wie lange bleibt der bestehen? Im WM-Finale 2007 warf Raymond van Barneveld einst 21 180’er. Dave Chisnall konnte in seinem Viertelfinale gegen Anderson diese Marke einstellen. Im Endspiel toppte Gary diese sogar nochmal und warf insgesamt 22 Maximums, überragend.

Doch nicht nur die Anzahl von 180’ern ging in die Geschichtsbücher ein. Auch die Averages waren in diesem Jahr von einem anderen Stern. Etwas mehr als 111 Punkte warf Phil Taylor damals, nun ist diese Marke Geschichte. Über acht Sätze spielte Michael van Gerwen in seinem Halbfinale gegen Raymond van Barneveld einen Punkteschnitt von 114,05. Unglaublich. Und auch Barney stellte mit seinen 109,34 einen neuen Rekord auf, den des höchsten Schnitts eines Verlierers bei einem WM-Match. Ärgern wird sich darüber Cristo Reyes, denn der hatte diesen Rekord mit seinen 106 Punkten in Runde zwei gegen MVG selbst gerade erst aufgestellt. Zudem zeigte Corey Cadby mit 102,48 Punkten den höchsten Average einer Vorrundenpartie.

Was waren die Überraschungen?


Die wohl größte Überraschung war, dass es keine großen Überraschungen gab. Im Halbfinale standen die Top-3 der Welt und ein fünffacher Weltmeister. Auch im Viertelfinale war Daryl Gurney der einzige, der dort so nicht ganz zu erwarten war. Aber auch dessen Weg war nicht unbedingt von den ganz großen, nicht vorherzusehenden Erfolgen gepflastert. Klar, ein Jonny Clayton besiegte Gerwyn Price, Darren Webster zerfleischte Simon Whitlock, Mensur Suljovic unterlag Mark Webster. Aber all diese Niederlagen von vermeintlichen Favoriten im Match waren nicht so schwerwiegend und so welterschütternd, wie zum Beispiel ein Cristo Reyes, der als unbeschriebenes Blatt einen Wes Newton vor zwei Jahren raushauen konnte. Die Dartelite rutscht immer weiter zusammen, wie in Länderspielen im Fußball gibt es nicht mehr viele Kleine.

Dennoch waren einige Performances einfach sagenhaft. Corey Cadby, frischgebackener Juniorenweltmeister, zeigte wie angesprochen in der Vorrunde den höchsten Average der dort je gespielt wurde. Und auch sein Erstrundenmatch gegen Joe Cullen war ein ganz besonderes, weil der „Rockstar“ gegen den Youngstar gegenhalten konnte. Die beiden legten ein fantastisches Match hin und begeisterten die Zuschauer. Vor allem der unerfahrene Cadby bewies mit seiner Ausstrahlung, dass er mal ein Großer werden kann. Auch Reyes war mit seiner Leistung gegen Michael van Gerwen ein Held dieser Weltmeisterschaft, auch wenn es nicht für die Sensation reichte. Mit einem Average von 104,64 Punkten bezwang Darren Webster Simon Whitlock. Im Schnelldurchlauf drehte er ihn durch den Fleischwolf und zeigte eine perfekte Partie. All das waren brillante Leistungen, die in der Form kaum jemand auf dem Zettel hatte.

Was zeigten die Altmeister?

Phil Taylor kam zur Weltmeisterschaft um seinen 17. Titel zu gewinnen. Dies gelang ihm bekanntermaßen nicht. Der Rekordweltmeister zeigte in der Summe auch kein starkes Turnier. Nach seinem Auftaktsieg gegen David Platt gewann er mit Problemen aber letztlich deutlich auch 4:0 gegen Kevin Painter. Im Achtelfinale zeigte er seine vermutlich beste Partie, als er Kim Huybrechts mit 4:2 schlagen konnte. Doch auch dort gab er einen Vorsprung fast noch aus der Hand, lud seinen Gegner durch Nachlässigkeiten ein. Solche Dinge hätte es früher bei einem Phil Taylor nicht gegeben. Auch nicht die Körpersprache beim verlorenen Viertelfinale gegen seinen Widersacher Raymond van Barneveld, als man nie wirklich den Eindruck hatte, als könne er den Niederländer bezwingen. Man merkt ihm die Jahre inzwischen an. Es wird spannend sein zu sehen, wie er die großen Turniere spielt, wenn er nun kürzer tritt. Die WM allerdings war nicht nach seinen Vorstellungen.

Anders beim angesprochenen Raymond van Barneveld. Der Niederländer zeigte eines seiner besten Turniere der letzten Jahre. Nicht nur die Ergebnisse, sondern eben auch seine Ausstrahlung waren eines der Highlights. In den ersten beiden Runden besiegte er die vorher so hoch eingeschätzten Robbie Green und Alan Norris ohne einen Satzverlust. Nervenstärke bewies er auch gegen Adrian Lewis, als es mal nicht so gut lief. Er kam zurück und gewann am Ende sehr knapp mit 4:3. Gegen Taylor, ein absolutes Nervenspiel, gab er eine 3:1-Führung aus der Hand, nur um danach nochmal eine Schippe drauf zu legen und mit 5:3 zu gewinnen. Danach schaffte er etwas, was eigentlich unglaublich klingt. Er spielte einen Average von 109,34 Punkten über acht Sätze, verlor aber deutlich mit 2:6 gegen Michael van Gerwen. Gegen jeden anderen hätte er mit so einer Leistung vermutlich gewonnen. Es hat nicht für den Titel gereicht, doch die Leistungen von Barney machen Mut, dass er auch im kommenden Jahr noch für Highlights sorgen kann.

Michael van Gerwen hat sein Spielzeug wieder

Drei Jahre musste Michael van Gerwen also letztlich warten, bis er seine Lieblingstrophäe, die Sid Waddell Trophy, wieder in den Händen halten durfte. Der Niederländer hat eine brillante Weltmeisterschaft gespielt. Er zeigte den höchsten Average in einem WM-Match, er behielt auch in schwierigen Momenten die Nerven und bis zum Ende ging ihm die Kraft nicht aus. Er dominierte das Jahr, er dominierte die Weltmeisterschaft. Insgesamt vier Mal wurde bei dieser WM das höchste Finish im Darts, die 170, ausgecheckt. Simon Whitlock schaffte dies gegen Dragutin Horvat. Die anderen drei Male gingen auf die Kappe von „Mighty Mike“, zwei Mal checkte er sie gegen Daryl Gurney. Dieser Titelgewinn war für den Niederländer der folgerichtige Schritt, das, was man im vergangenen Jahr schon erwartete. Statt nach der Niederlage letztes Jahr einzubrechen, wurde Michael noch mehr angestachelt. Er gewann 25 Turniere im Jahr 2016, ein neuer Rekord. Er war der absolute Top-Favorit auf den Titel und dieses Mal wurde er diesen Ansprüchen von außen, aber auch seinen eigenen absolut gerecht. Er war und ist das Nonplusultra im Dartsport und nun hat er auch wieder den Titel, der ihn offiziell als diesen auszeichnet. Mit ihm als Sieger hat die Weltmeisterschaft einen würdigen Abschluss gefunden. Und wenn jemand mit einem Wurf auf das Bullseye Weltmeister wird, dann ist es doch besonders schön.

Herzlichen Glückwunsch an Michael van Gerwen zum Titelgewinn, herzlichen Glückwunsch an Gary Anderson zum dritten Finaleinzug hintereinander und herzlichen Glückwunsch an uns alle, die diesen Sport so gerne und mit Herzblut verfolgen. Es waren tolle Wochen, die nun leider vorbei sind. Aber nach der WM ist vor der WM. Nur noch zwölf Monate, dann geht es wieder los!

Tobias Gürtler

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