WM 2024 – ein Auftakt nach Maß, bei dem so mancher am Überraschungserfolg schnupperte

Eine mythologische Einschätzung früherer Kulturen? Die Erzählungen von Christoph Columbus? Verschwörungstheorien? – Nein! Die überdimensional große, eingeschworene Gemeinschaft an weltweit mitfiebernden Darts-Liebhabern macht die Theorie zum unwiderlegbaren Fakt: bis zum 3. Januar 2024 ist die Erde eine Scheibe! Eine Scheibe mit 82 Feldern, die über eine Dauer von 16 aufregenden Spieltagen, alle unterschiedlich häufig frequentiert, ja, manche müssen gar damit rechnen, dass sie geradezu malträtiert werden.

Der Auftakt und daran wird sich bis einschließlich 20. Dezember nichts ändern, sieht pro Session drei Matches aus der ersten Runde vor, plus einem Spiel aus der zweiten Runde. Am ersten Spieltag trägt traditionell der Weltmeister des laufenden Kalenderjahres das erste Zweitrundenmatch aus. Heute würde das selbstverständlich Michael Smith sein, wer allerdings gegen ihn antreten musste, sollte sich in der allerersten Partie der World Darts Championship 2024 entscheiden.

Ausgetragen werden die ersten beiden Runden – übersetzt heißt das: alle Spiele vor Heiligabend – im Modus „Best-of-5“ und zwar nach Sätzen. Die Liste der Favoriten ist dieses Jahr nicht nur prominent besetzt, sondern auch ungewöhnlich lang. Natürlich verstehen sich alle Teilnehmer als Titeljäger – wer das nicht tut, braucht erst gar nicht nach London zu reisen – nichtsdestotrotz kann man nicht jedem dieselben realistischen Chancen einräumen, das angestrebte Unterfangen auch zu verwirklichen. Und auch wenn Weihnachten vor der Tür steht, auf Geschenke des Gegners wird keiner hoffen können. Daher kommt man bei allem Optimismus sowie möglicher und unmöglicher Wunschtraumgedanken nicht umhin, den Teilnehmern der ersten Runde, den Status eines potentiellen Titelaspiranten abzusprechen. Was aber dem Spannungsfaktor nicht den geringsten Abbruch tut. Im Gegenteil, gerade die Erstrundenspiele halten oftmals hochinteressante Debütanten, extrem attraktive Performances und so manche Überraschung bereit. Man konnte sich also von Anbeginn auf kurzweilige Partien freuen.

Den Anfang machten Kevin Doets und Stowe Buntz. Ich hatte es ja schon erwähnt: der Sieger dieser Partie würde am Ende der heutigen Session das erste Zweitrundenmatch gegen den immer noch amtierenden Weltmeister bestreiten. Kevin Doets, die aktuelle Nummer 66 der Weltrangliste, konnte noch nicht mit allzu vielen beeindruckenden Resultaten aufhorchen lassen. In Minehead spielte er sich bei den diesjährigen UK Open wenigstens unter die Letzten 32, und im September schaffte er immerhin sein erstes Pro Tour-Finale. Auch bei den Players Championship Finals gelang dem Niederländer trotz Matchdart seines Gegners, José de Sousa, ein erster Spielerfolg. Allerdings konnte der Portugiese in seiner derzeitigen Form keine wirklichen Maßstäbe setzen, und so ließ die darauffolgende Niederlage von Kevin Doets gegen einen formstarken Damon Heta nicht lange auf sich warten.

Tatsächliche Maßstäbe errichtete hingegen sein heutiger Gegner Stowe Buntz, der sich bei der jüngsten Ausgabe des Grand Slam of Darts unbestreitbar in die Herzen der Dartsfans spielte und zwar nicht nur aufgrund seines authentischen Auftretens, sondern vornehmlich durch brillante Leistungen. Theoretisch hätte Jeff Smith als Sieger der PDC North American Championship besagten Platz sowohl beim Grand Slam als auch bei der WM innegehabt, wenn er denn nicht im Besitz einer Tourkarte gewesen wäre. Das Reglement besagt, dass sich Tourcard-Holder nicht auf diesem Wege qualifizieren können und so sah man sich innerhalb des Regelwerks um, wer davon profitieren sollte. Hatte der Erfolg beim CDC Continental Cup Stowe Buntz schon den Startplatz beim Grand Slam gesichert, so waren es auf der CDC Tour drei Turniersiege, die er erstaunlicherweise allesamt an einem Wochenende abräumte und die das Fundament für eine ausgezeichnete Position in der entsprechenden Order of Merit bildeten. Damit ergatterte sich „Buntzy“ als bester noch nicht qualifizierter Spieler der CDC Tour Rangliste das WM-Ticket. Seinen Sieg bei den diesjährigen Washington Area Open möchte ich auch nicht unterschlagen, da dieser seine Formkonstanz 2023 nochmals unterstreicht. Dem Darts-Publikum auf dieser Seite des Ozeans prägte er sich besonders nachdrücklich beim Grand Slam ins Gedächtnis. Nach überzeugenden Erfolgen über Peter Wright und Stephen Bunting hatte er sich den Gruppensieg wohlverdient, und auch im Achtelfinale zeigte er seinem Kontrahenten, Andrew Gilding, wie der American Darts-Dream funktioniert. Erst im Viertelfinale bei seiner zweiten Begegnung mit Stephen Bunting wurde deutlich, dass die vorausgegangenen Partien und mit Sicherheit auch der unerwartete Medienrummel um seine Person, Stowe Buntz einiges an Kraft gekostet haben mussten. Er wirkte ein wenig ausgelaugt und konnte die Konstanz, die ihn vorher noch ausgezeichnet hatte, nicht mehr ans Board bringen. Das Ergebnis war eine klare Niederlage gegen den BDO-Weltmeister von 2014.

„Game On“ für die WM 2024

Und dann ging die „Celebration“ los, der Kool & the Gang-Song, der Stowe Buntz als Einlaufmusik dient, leitete das Darts-Highlight des Jahres ein. Kevin Doets promotete beim Walk-on die Lebensphilosophie „Rock and Roll All Nite“ (von Kiss) – doch nicht nur diese Nacht. Wenn es nach dem Niederländer ginge, würde er sicher gerne die nächsten 20 Nächte durchrock `n` rollen. Den Grundstein hierfür legte „Hawk Eye“ im ersten Satz. Kevin Doets hatte das Ausbullen gewonnen, startete in style mit der 180 und holte sich folgerichtig Leg Eins. Stowe Buntz kam hingegen nicht so richtig ins Rollen, und so ließ Doets das Break zum 2:0 folgen. Nachdem „Buntzy“ im zweiten Durchgang noch etliche Möglichkeiten hatte liegen lassen, machte er diesen Fauxpas im Anschluss wieder gut, holte das Re-Break zum 1:2. Doch der 25-jährige Niederländer zeigte bei seinem WM-Debüt erstaunlich souveräne Abgebrühtheit, das nächste Break und der erste Satz war eingetütet. 1:0 in Sätzen für Kevin Doets.

Im zweiten Satz teilten sie sich die ersten beiden Legs zum 1:1, bevor der US-Amerikaner zum ersten Mal in diesem Match die Chance hatte, in Führung zu gehen. Solche Gelegenheiten darf man nicht versäumen, doch genau das tat Stowe Buntz, ließ fünf Legdarts liegen, und Kevin Doets bedankte sich mit der 2:1-Legführung. Das 3:1 und somit die 2:0 Satzführung abermals nur Formsache für den jungen Niederländer. Auch im dritten Satz ging Doets relativ rasch 2:1 in Front. Man hatte das Gefühl, er wollte den Sieg so schnell wie möglich perfekt machen, um sich auf das zweite Spiel des Abends gegen den amtierenden Weltmeister Michael Smith einzustellen. Doch der engagierte Vater von vier Kindern, Stowe Buntz, bäumte sich nochmal auf. Zu einem Zeitpunkt, als man dachte, es sei bereits gelaufen, funkte ein letzter Hoffnungsschimmer bei Ehefrau Crystal auf, ihr Gatte hatte das 2:2 errungen. Der Kampfgeist war da, der Wille vorhanden, allein es fehlten „Buntzy“ die besonderen Augenblicke. Und so erlosch auch der letzte Funken Hoffnung, denn als sein Kontrahent nurmehr die 40 vor der Brust hatte, musste sich der Mann aus Portsmouth/Virginia noch mit der 296 abmühen. Er löschte beachtliche 134 Punkte (T20, 20, T18), doch solche Momentaufnahmen kamen einfach immer zu spät. Kevin Doets hingegen wies heute kaum Probleme beim Auschecken auf, geschweige denn, wenn es darum ging, die 40 auszumachen. 3:0 für den Niederländer, den wir im letzten Match des Abends wiedersehen würden.

Kevin Doets 3:0 Stowe Buntz
91,79 Average 88,26
5 180s 1
112 High Finish 87
1 100+ Checkouts 0
9/15 Finishing 4/14

Österreichs einziger Hoffnungsträger bei dieser WM

Als nächstes betraten Rusty-Jake Rodriguez und Cameron Menzies das Darts-Parkett. Cameron Menzies, der neben seiner Dartslaufbahn auch weiterhin als Klempner tätig ist, wollte die Konkurrenz heute Abend in die Rohrzange nehmen und zeigen, wo der Kunststoffhammer hängt. Bei der letztjährigen WM hatte Cameron Menzies die erste Runde gut überstanden und sich somit in die verlockende Situation gespielt, Vincent van der Voort zum Duell fordern zu können. Immerhin war der niederländische Routinier der Spieler, der die Teilnahme von Menzies` Lebensgefährtin Fallon Sherrock an der WM 2023 mit am lautstärksten kritisiert hatte, nachdem diese nach kurzfristiger Regeländerung (als Siegerin des Women‘s World Matchplay) damals unvermittelt doch noch die WM-Startberechtigung erteilt bekommen hatte. Vermutlich hätte „Cammy“ seiner Freundin gerne die Geste der Galanterie erwiesen, den Kritiker heldenhaft niederzuringen, doch es sollte nicht sein. Der Schotte musste sich in der zweiten Runde Vincent van der Voort mit einem klaren 0:3 geschlagen geben. Dieses Jahr würde es hundertprozentig nicht zu einer Begegnung mit dem „Dutch Destroyer“ kommen, denn van der Voort konnte sich (nach einer gefühlten Ewigkeit, allein bei der PDC waren es 16 Jahre in Folge) diesmal nicht für die WM qualifizieren.

Um bei der WM 2024 überhaupt einen neuen Versuch des Zweitrundensieges starten zu können, musste Cameron Menzies allerdings erst einmal diese Partie erfolgreich überstehen. Ihm gegenüber stand Rusty-Jake Rodriguez. Eventuell ist es ihren philippinischen Wurzeln zu verdanken, dass die Rodriguez-Brüder einem nicht gleich ins Gesicht springen, wenn man sie als Österreicher bezeichnet. Gebürtige Wiener sind nicht selten äußerst empfindlich, was das betrifft. Rodriguez ist da erfreulich schmerzfrei, und so durften wir heute das schottisch-österreichische Duell als zweite Partie des Abends erleben, deren Sieger übrigens morgen gegen Dave Chisnall antreten wird. Apropos „schmerzfrei“, nachdem Rusty-Jake im Vorfeld wiederholt über eine langwierige Handgelenksverletzung (natürlich die Wurfhand, was auch sonst?!) berichtet hatte, blieb zu hoffen, dass er auch hier heute Abend schmerzfrei agieren konnte. Bei seiner bisher einzigen WM Teilnahme (2022) hat Rusty-Jake Rodriguez die erste Runde ebenfalls erfolgreich gemeistert, wobei seine anschließende Zweitrundenniederlage eine denkbar knappere Angelegenheit war, als die Null-Nummer (in Sätzen), die sein heutiger Gegner in seinem letztjährigen Zweitrundenmatch verkraften musste. Bei der WM 2022 hatte Chris Dobey deutlich mehr Mühe, Rodriguez mit 3:2 in Schach zu halten. Aber – neues Jahr, neues Glück für alle Beteiligten. Rusty-Jake Rodriguez, aktuell auf Position 89 der Weltrangliste, Cameron Menzies auf der 63, dennoch blieb der Österreicher optimistisch, denn aus dem letzten Duell zwischen den beiden, ging der momentan schlechter Platzierte in einem engen Fight als Sieger heraus.

Rusty-Jake Rodriguez ist dieses Jahr Österreichs einzige WM-Hoffnung, nachdem er in Barnsley im Qualifikationsturnier seinen Landsmann und WM-Dauerteilnehmer Mensur Suljovic höchstpersönlich aus dem Starterfeld gekickt hatte. Das diesbezüglich schlechte Gewissen nehme ich ihm nicht so ganz ab – niemand bedauert einen Sieg, in keiner Weise, egal wen man vermöbelt hat. Zwischen 2008 und 2023 hatte Suljovic die WM lediglich einmal verpasst und zwar in 2013. Der laut Rangliste derzeit beste Österreicher ist auf Position 48 zu finden: Rowby-John Rodriguez, Rusty-Jakes älterer Bruder. Aber auch Rowby-John konnte sich nicht für die diesjährige WM qualifizieren, und somit ist es an RJR #3, als einziger die rot-weiß-roten Farben glorreich zu vertreten. Dass er seiner Einlaufmusik „All I Do Is Win“ (von DJ Khaled) alle Ehre machen kann, wissen wir, nun musste er nur noch eine starke Tagesform abrufen und das musikalische Leitmotiv am Board umsetzen. Im ersten Satz zeigte Cameron Menzies nicht nur beste Spiellaune, hervorragende Checkouts, sondern auch eine Bandbreite an unterschiedlichsten Grimassen. Ich glaube, der Nickname „The Comedien“ ist schon vergeben – falls nicht, Cameron Menzies wäre allein aufgrund seiner Gesichtsmimik ein transparenter Anwärter. Und so kommentierte „Cammy“ alle drei Leggewinne des ersten Sets mit der entsprechenden Gestik. Mit 3:0 sicherte sich Cameron Menzies Satz Eins.

Den zweiten Satz begann Menzies mit dem vierten Leggewinn in Folge, bevor auch Rusty-Jake Rodriguez endlich den ersten Punkt in der Legspalte erzielen konnte. 1:1. Nach dem dritten Durchgang dieses Satzes ging RJR3 mit 2:1 das erste Mal in Führung, doch das schien den Schotten, der vor dem Match erzählt hatte, dass er tagsüber noch einem Klempner-Auftrag nachgegangen war, erst so richtig zu inspirieren. Das High-Finish (118) ausradiert und schon war der Ausgleich (2:2) wieder da. Und irgendwie wirkte Menzies heute noch spielfreudiger als sonst, – o.k., seine Gestik ist immer sehr ausgeprägt, da darf man nicht zu viel hineininterpretieren – doch oft genug scheitert der gebürtige Glasgower, der mittlerweile in Milton Keynes zuhause ist, an sich selbst. Zu gefühlstechnisch in seinen Reaktion, zu viel Hadern, zu viel Nachdenken, da verliert man nicht nur gegen den Gegner, sondern vor allem gegen sich selbst. Heute schienen die positiven Emotionen immer wieder die Vorherrschaft zu übernehmen und so sicherte sich Menzies auch das entscheidende Leg des zweiten Satzes. 2:0.

Der dritte Satz begann wie der zweite geendet hatte, mit Leggewinn für Cameron Menzies, 1:0. Doch dann hatte man das Gefühl, Rusty-Jake ist mittlerweile im Match angekommen, dem Ausgleich zum 1:1 ließ der Österreicher das Break zur 2:1-Führung folgen. Kurzzeitig schien der Satzgewinn in greifbare Nähe gerückt, doch RJR3 katapultierte sich selbst wieder in Gefilde weit jenseits jeglicher Reichweite zurück. Nachdem der gebürtige Wiener zum wiederholten Male das Doppelfeld verfehlt hatte, diesmal war es die Double-19, ließ Menzies sich nicht lange bitten und holte das Re-Break zum 2:2 Ausgleich. Das exzessive Mienenspiel des Schotten hatte sich mittlerweile etwas beruhigt, das zielsichere Präzisionsspiel am Oche konnte er hingegen aufrechterhalten. Auch den Decider des dritten Satzes sackte Cameron Menzies relativ souverän ein, 3:0 in Sätzen. Unter dem Jubel seiner Freundin Fallon Sherrock sicherte sich „Cammy“ das Ticket in die zweite Runde, wo „Chizzy“ auf ihn wartet.

Cameron Menzies 3:0 Rusty Rodriguez
88,49 Average 81,83
4 180s 0
118 High Finish 83
1 100+ Checkouts 0
9/18 Finishing 4/13

Wieviel Magie würde „The Wizard“ heute Abend ans Board zaubern?

Es folgte die dritte und somit letzte Erstrundenpartie dieser Session: Simon Whitlock versus Paolo Nebrida. Der 54-jährige Dartsprofi aus Down Under, der bei den Finish-Wegen immer wieder für eine Überraschung gut ist, steht aktuell nur auf Position 43 der Weltrangliste, was ihm jedoch nichts an Motivation raubt und schon gar nichts über sein tatsächliches Können aussagt. Betrachtet man sich Whitlocks WM-Historie, so stellt man fest, dass seine erste Teilnahme bei der PDC WM auf das Jahr 2003 zurückdatiert, dann folgten fünf Jahre bei den BDO Weltmeisterschaften, wo er 2008 gar im Finale stand, das er jedoch gegen Mark Webster verlor. 2010, es war erst seine zweite PDC WM-Teilnahme, schaffte es Whitlock erneut ins Finale. Hier war es all-powerful Phil Taylor, der zu diesem Zeitpunkt beinah all seinen Gegnern eine Lehrstunde in Sachen Darts erteilte und Simon Whitlock im Finale mit 3:7 abservierte. Und auch wenn es für den „Wizard“ in kein weiteres WM-Finale gereicht hat, war er seither zumindest ununterbrochen am Start. Ein WM-Titel blieb Whitlock, wie gesagt, verwehrt, doch konnte er sich 2012 immerhin die Krone der European Darts Championship aufsetzen. Den letzten großen Erfolg erzielte er 2022 beim World Cup of Darts, wo er zusammen mit Damon Heta den Titel einfuhr. Sowohl bei der WM 2022 als auch 2023 hatte Simon Whitlock jeweils schon in der zweiten Runde die Endstation erreicht. 2022 war es Martijn Kleermaker, der ihm das Ticket für die nächste Runde abnahm, im letzten Jahr verbaute José de Sousa dem Australier den Weg zum Weiterkommen. Sahen wir im vorausgegangenen Match bereits einen Spieler mit philippinischen Wurzeln, so sollte nun ein Akteur folgen, der selbst auf den Philippinen geboren wurde und dort auch nach wie vor lebt: Paolo Nebrida. Überhaupt ist der Inselstaat bei dieser WM mit insgesamt vier Spielern beachtlich vertreten. Mit einigen ansprechenden Leistungen auf der PDC Asian Tour unterwegs, hatte sich Paolo Nebrida schon für die WM 2023 qualifiziert, wo er aber in der ersten Runde, wenn auch äußerst knapp, dem Niederländer Danny Jansen mit 2:3 unterlag. Kleiner Fun Fact: während Rusty-Jake Rodriguez seinen 23. Geburtstag an Heiligabend feiert, darf man Paolo Nebrida an Silvester „Happy Birthday“ wünschen, er wird nämlich am 31. Dezember 29 Jahre jung.

Und so startete die Partie, bei der ermittelt wurde, wer im Zweitrundenduell (Samstagabend) der Gegner von Gary Anderson sein würde. Das erste Leg holte sich Paolo Nebrida, der auch Anwurf hatte, ohne Probleme. Der zweite Durchgang gestaltete sich relativ zähflüssig, Whitlock ließ alles liegen, was ging, und irgendwann konnte sich der Philippine das Elend des Danebenwerfens nicht mehr mitansehen und nahm das Leg großmütig an sich. Break zum 2:0. Drittes Leg, wiederum Anwurf für Nebrida, der sich nicht so widerstrebend anstellte, sein Leg einzuholen, wie dies im vorherigen Durchgang der Australier fabriziert hatte. Beide im Schlussspurt auf der 76, Paolo Nebrida traf die Triple-20, ein Fehlschuss, dann die Double-8, Simon Whitlock hingegen erhielt keine weitere Chance. 1:0 in Sätzen für Paolo Nebrida. Im zweiten Satz endlich der erste Leggewinn dieses Matches für den routinierten Australier, es war allerdings nur sein Anwurf, somit absolutes Muss, 1:0. Dieses Pflichtprogramm absolvierten in den nächsten drei Durchgängen beide gleichermaßen, 2:2. Simon Whitlock hatte im Decider des zweiten Sets Anwurf, also alle Chancen, den Satzausgleich zu erzwingen. Doch auch hier ließ der Australier die eine oder andere Möglichkeit liegen, hatte lediglich das Glück, dass Nebrida nicht konsequent genug bestrafte, und es zum für Whitlock glücklichen Satzausgleich kam, 1:1.

Obgleich der „Wizard“ weiterhin den Eindruck vermittelte, dass er heute nicht wirklich im Spiel ankommen konnte, startete er den dritten Satz mit Break und bestätigte dieses auch postwendend, 2:0. Dritter Satz, drittes Leg, die erste 180 des Matches und die erzielte Paolo Nebrida, der sich fast folgerichtig auch den Durchgang holte. 1:2. Der Spieler von den Philippinen schien nun die Freude an der 180 entdeckt zu haben, denn im vierten Leg versenkte er umgehend die nächsten drei Pfeile im Triple-20-Segment. Auch diesmal hatte er die konkrete Chance, sich dementsprechend auch das Leg zu greifen, doch er ließ liegen. Simon Whitlock hingegen wollte sich in diesem Durchgang keine Blöße mehr geben und machte den Deckel auf den Satz drauf, 2:1 in Sätzen für den Australier. In Anbetracht der Routine des „Wizards“ konnte man nun annehmen, dass Whitlock jetzt endgültig das Zepter in die Hand nehmen würde, doch der vierte Satz sah erstmal den 28-jährigen Philippino mit 2:0 in Führung gehen. Whitlock, der heute sichtlich Igel zu kämmen hatte, bäumte sich nochmals auf, 1:2. Doch dieser Kraftakt des Gegners hinderte Paolo Nebrida nicht daran, das 3:1 und somit den Satzausgleich zum 2:2 zu erzwingen.

Während die Sieger der ersten beiden Matches dieser WM mit klarem 3:0 triumphierten, sollte es hier über die volle Distanz gehen. Fünfter Satz, erstes Leg, die erste 180 für Simon Whitlock in diesem Spiel. Trotzdem holte sich Nebrida den ersten Durchgang, 1:0. Auch der „Wizard“ brachte seinen Anwurf durch, 1:1, und sicherte sich anschließend auch noch das Break zum 2:1. Im vierten Leg dann Drama pur: beide benötigten die Double-18, Simon Whitlock, um das Match für sich zu entscheiden, Paolo Nebrida zum Re-Break, um den alles entscheidenden Decider im Entscheidungssatz zu erringen. Der Australier verfehlte, Nebrida war am Zuge. Doch auch er zeigte mehr Nerven als Treffsicherheit, erwischte nur die einfache 18. Erneute Chance für Simon Whitlock, erneut drei Pfeile am Ziel vorbei. Paolo Nebrida mit der weiteren Möglichkeit, ins Rettungsboot zu springen. Die Frage war, würde er umstellen oder direkt auf die Double-9 gehen. Er entschied sich für die riskantere Variante, attackierte ohne Umschweife das Doppel-9-Feld. Drei weitere Darts, drei weitere Fehlwürfe. Unverhofft durfte der Australier in diesem Leg nochmals ans Oche zurückkehren, benötigte zwei weitere Würfe, und dann war es schlussendlich geschafft. 3:2 für Simon Whitlock, der sich nun zwar durchaus auf Gary Anderson freut, die nächste Partie aber gleichzeitig sehr realistisch einzuschätzen weiß: „Wenn ich nicht aufpasse, wird Gary mich an die Wand nageln.“

Simon Whitlock 3:2 Paolo Nebrida
90,13 Average 90,15
2 180s 6
98 High Finish 121
0 100+ Checkouts 2
10/29 Finishing 10/30

Der erste Auftritt des Weltmeisters 2023

Zum Abschluss des ersten Spieltags gab sich der amtierende Weltmeister die Ehre: Michael Smith wurde vom Sieger des Auftaktmatches herausgefordert, und somit durfte Kevin Doets ein zweites Mal an diesem Abend antreten. Rückblickend auf die letzten Major-Turniere konnte man nicht behaupten, Michael Smith befände sich in absoluter Höchstform. Im Gegenteil, da war so manch ernüchternder Auftritt festzustellen. Dennoch und trotzdem: es gibt Spieler, die von Null auf Hundert durchstarten können, von denen man eben noch dachte: „oje, die hängen aber richtig durch“ – und plötzlich, wie aus dem Nichts sind sie wieder bei alter Stärke angelangt und fegen alles beiseite, was im Wege steht. Der „Bully Boy“ kann spielerisch noch so krisenbehaftet wirken, man darf ihn niemals unterschätzen. Seine Wurfbewegungen sind wie aus einem Guss, und so muss man sich bei Michael Smith nur eines fragen: wie und wann zielt der eigentlich? Der Engländer aus St. Helens ist ein viel zu großartiger Weltklassespieler, als dass man ihn jemals abschreiben könnte, und so zählt er auch dieses Jahr, entgegen aller Formschwäche-Unkenrufen definitiv zum Favoritenkreis. Und damit er in diesem erlauchten Feld auch bleiben konnte, galt es natürlich erst einmal Kevin Doets auszuschalten.

Der Niederländer hatte das Ausbullen gewonnen, begann also das Match, was den „Bully Boy“ nicht davon abhielt, das erste Leg einzufahren. Break zum 1:0. Michael Smith hatte es bewerkstelligt, bei drei Weltmeisterschaften die meisten 180er zu werfen, und konsequent lieferte er im zweiten Durchgang gleich mal seine erste 180 dieser WM, das 2:0 nebenbei mitgenommen. Auch Kevin Doets kann 180, er begann das dritte Leg gar mit sechs perfekten Darts. Auch wenn der Siebte nicht mehr im anvisierten Triple landete, den fist bump vom Weltmeister gab`s trotzdem und das 1:2 als Belohnung obendrauf. In zügigem Eiltempo holte sich der Engländer den nächsten Durchgang und somit auch den ersten Satz, 1:0.

Da Michael Smith im zweiten Set Anwurf hatte, genügte ihm das Nötigste, sprich, er hätte eigentlich nur seine eigenen Legs durchbringen müssen und somit wäre der Satz auf seiner Haben-Seite gelandet. Bis zum 2:2 lief auch alles gemäß dieser Kalkulation. Nun zeigte Kevin Doets bei seinem WM-Debüt jedoch relativ wenig Respekt vor großen Namen, lief dem Weltranglistenersten bis zu diesem Zeitpunkt gar den Rang der meisten 180er ab, und präsentierte hochklassiges Scoring. Und als Michael Smith dann die Double-20 und somit den Satzdart ausgelassen hatte, war Doets zur Stelle und stahl dem Weltmeister Leg und Satz. 1:1. Vor dem Pausengang kommentierte ein erstaunlich relaxter Michael Smith die Leistungen seines Gegners mit anerkennender Geste. Auch im dritten Satz holte sich zunächst jeder seinen Anwurf, wobei das zweite Leg das vorläufige Highlight des Tages parat hielt. In weltmeisterlicher Manier löschte Michael Smith die 150. Den Satz gewann dennoch der Niederländer, da es ihm, im Gegensatz zu seinem Kontrahenten im vorausgegangenen Satz, gelungen war, alle drei Anwürfe zu halten. 2:1 für Kevin Doets. Im vierten Satz versuchte Michael Smith einen Gang höher zu schalten, holte sich Leg Eins und Zwei, letzteres abermals mit High-Finish, 121 – klar, dass das Bullseye das Sahnehäubchen auf dieses Checkout setzte. 2:0. Doch der Niederländer hielt dagegen, wollte seinerseits mit signifikanten Ausrufezeichen punkten, das 1:2 war nur ein Beleg dafür. Dass „Hawk Eye“ im vierten Leg dann einen Checkout-Dart ausgelassen hatte, wusste Smith diesmal rigoros zu bestrafen, damit Leg und Satz an den Weltmeister. Satzausgleich 2:2.

Damit ging es auch in diesem Spiel über die volle Distanz. Kevin Doets begann den Entscheidungssatz, doch der „Bully Boy“ war derjenige, der das nächste Highlight setzte: Triple-20, Triple-20, Double-11 und die 142 war ausradiert. Somit waren zwei seiner drei grandiosen High-Finishes auch Breaks, was den Leggewinn natürlich zusätzlich versüßte. 1:0. Das Break relativ entspannt bestätigt, und es stand 2:0 für den Engländer. Obwohl Kevin Doets keineswegs aufsteckte, nochmal alles entgegenwarf, was er mit seinem A-Game zur Verfügung hatte, bekam man nun das Gefühl, dass der Weltmeister inzwischen wahrhaftig die Kontrolle übernommen hatte und die Zügel auch wirklich nicht mehr aus der Hand geben wollte. Gut, der dritte Durchgang glich eher zähem Ringen als flüssigem Dartspiel, da wollte keiner so recht zugreifen. Smith auf der 20, Doets auf der 25, beim Engländer ging es um den Matchsieg, bei seinem niederländischen Kontrahenten ums pure Überleben. Der „Bully Boy“ warf fünf Matchdarts am Ziel vorbei, was Kevin Doets ermöglichte, mit beinah ebenso vielen Legdarts das 1:2 zu erhaschen. Das war wohlgemerkt aber nur sein eigener Anwurf, den er nach Hause gebracht hatte. Im nächsten Leg war dann endgültig Schluss mit Lustig aus Sicht des Weltranglistenersten. O.k., der Weg über die Triple-3 und dann erst über 18 und Double-20 zum Matchgewinn, mag ungewöhnlich klingen, aber solange es zielführend ist?! Michael Smith beherrscht eben das komplette Board. Doets mit einem Average knapp unter 100, Smith knapp über 100 – das hielt sich in etwa die Waage. Richtig erstaunlich war in der Tat die jeweilige Anzahl der 180er, während der Engländer mit fünfmal die 180 für seine Verhältnisse relativ bescheiden blieb, hämmerte Kevin Doets gar neunmal besagtes Maximum in die Triple-20.

3:2 für den Weltmeister, der sich nach dem Spiel zufrieden zeigte. Bis Weihnachten darf der Familienvater nun pausieren, das gibt ihm die Möglichkeit, sich seiner anderen Leidenschaft zu widmen – Wie heißt dieser andere Sport? Ach ja, ich glaube: Fußball – ja, er wird wohl ein wenig Fußball gucken.

Michael Smith 3:2 Kevin Doets
100,09 Average 99,46
5 180s 9
150 High Finish 58
3 100+ Checkouts 0
13/26 Finishing 9/24

Es war ein interessanter Auftakt, die eine oder andere Überraschung lag in der Luft und konnte gerade noch so eben abgewendet werden. Und irgendwie eignete sich diese erste Session optimal zum Aufwärmen. Am Samstag geht es weiter und auch da erwarten uns wieder spannende Paarungen. Stay bright, nice flight!

Fotos © PDC @ Darts1

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