WM – der 4. Spieltag mit einem neuen Kapitel in der Dartsgeschichte, einer durchaus soliden Partie, einer Klasse-Performance und dem Spieler des Tages: Man Lok Leung

Am vierten Spieltag erwartete die Dartsgemeinde „nur“ eine Abendsession. Vielleicht ganz gut, denn somit hatten alle Royalisten Zeit, die Tränen zu trocknen, nachdem das königliche Oberhaupt des Ally Pally-Staates, „The Queen of the Palace“, gestern nicht ihr A-Game abrufen konnte und trotz versprechendem Start völlig aus dem Tritt geraten war. Ja, das Leben einer Monarchin ist nicht einfach, Jermaine Wattimena hatte sie erbarmungslos entthront und so verließ eine rundum enttäuschte Fallon Sherrock das Oche ihrer vertrauten Winterresidenz. Tränen konnte auch die deutsche Dartscommunity vergießen, allerdings musste man die nicht trocknen, denn in dem Fall waren es Freudentränen. Nach 0:1-Satzrückstand gegen den jungen Dylan Slevin, drehte Florian Hempel sowohl den Flo- wie auch den Flow-Hahn auf, und mit viel Entschlossenheit machte er das Zweitrundenticket perfekt. Am Freitag muss er gegen Dimitri Van den Bergh ran, aber wie man den besiegt, weiß er ja zumindest schon.

Auch sonst konnte man am gestrigen Tag wieder viele tolle Akteure erleben. Beispielsweise gab sich außer der Queen auch „The Saint“ die Ehre. Simon Adams hatte 44 Jahre lang darauf hingearbeitet, einmal die Bühne des Ally Pally betreten zu können – gestern war es soweit. Und auch wenn er sein Match relativ klar gegen den weit erfahreneren „Schnellzug“ Ricky Evans verlor, es war in jeglicher Hinsicht trotzdem ein Gewinn für ihn. Und nicht nur für ihn, eigentlich für uns alle, denn seine Persönlichkeit bewusst wahrzunehmen, die Botschaft die er entsandte, zu erfahren, all das machte seinen Auftritt zu einer besonderen Sache. Mit Jim Williams hat sich der nächste Waliser ins Darts-Gedächtnis geschossen. Auch wenn Norman Madoo wenig Gegenwehr leistete, muss man das erstmal zu nutzen wissen, die Legs selber ausmachen und letztendlich ist es sogar schwerer, die Konzentration aufrecht zu erhalten, wenn der Kontrahent einen nicht ausreichend fordert. Jim Williams hat beides hervorragend bewerkstelligt und einen überzeugenden Sieg eingefahren. Die spannendste Begegnung des dritten Spieltags war wohl die zwischen Matt Campbell und Lourence Ilagan. Vor allem weil man bis zum zweiten Set annehmen musste, dass es eine schnelle Nummer würde, bevor der Spieler von den Philippinen den Spielverlauf komplett auf den Kopf stellte, indem er ungeahnte Comeback-Qualitäten zu Tage förderte. Dass Matt Campbell das Spiel dann doch noch über die Ziellinie rettete, war ein Indiz für große Nehmerqualitäten. Diese Tugend bewies auch Niels Zonneveld, nachdem Darren Webster nochmal all sein Demolierungswerkzeug ausgepackt und einmal sogar die Darts zu früh eingepackt hatte, schleppte der Niederländer den Matcherfolg doch noch nach Hause. Die beiden Zweitrundenpartien gingen jeweils deutlich an den Favoriten, wobei gerade Luke Humphries von seinem Gegner Lee Evans, der obendrein den „Big Fish“ herausgenommen hatte, mehr vermeintliche Stolpersteine in den Weg gelegt bekommen hatte, als man dies im Vorfeld annehmen konnte. Allerdings hatte „Cool Hand Luke“ gestern auch noch nicht alle Stufen seiner Gangschaltung in Betrieb genommen, das war mehr ein solides Aufwärmen. Joe Cullen hatte sich hingegen mit weniger Gegenwehr auseinanderzusetzen, als man erwartet hatte, Darren Penhall fand gestern nicht zu seiner Vortagsform.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Dartsports …

Die Rundenansetzung und auch der Modus wie gehabt, freute man sich auf die erste Partie. „Allons enfants de la Patrie, le jour de gloire est arrivé. Contre nous de la tyrannie …“ Das ist übrigens der Text der Marseillaise und übersetzt heißt es: Auf geht`s, ihr Dartskinder der Heimat, der Tag des Ruhmes ist gekommen, endlich können wir uns der Tyrannei eines Michael Smith, eines van Gerwen und wie sie alle heißen, entgegenstellen. So (oder so ähnlich) lautet der Text der französischen Nationalhymne – zumindest für heute Abend. Mit Thibault Tricole ist der erste Franzose am Start, der sich für eine PDC-Weltmeisterschaft qualifizieren konnte. Der Spieler, der in Auray, im Département Morbihan, geboren wurde, also aus der Bretagne stammt, hat schon mehrfach Dartsgeschichte geschrieben, als er sich im Januar 2020 als erster französischer Spieler überhaupt für die BDO-WM qualifiziert hatte, und auch das konnte er selbst noch toppen: bei der WDF-WM 2022 stand er nach Siegen über Shawn Burt, Steve Hine, Andy Baetens und Cameron Menzies, (in zwei der genannten vier Partien wehrte er Matchdarts gegen sich ab), als erster Franzose im Finale einer Weltmeisterschaft. In besagtem Endspiel lieferte er sich einen packenden Fight mit Neil Duff, und erst der Entscheidungssatz bestimmte über Sieg und Niederlage. Mit 5:6 verlor Thibault Tricole denkbar knapp gegen den Engländer. Im Juni des laufenden Jahres erlebten wir den Franzosen an der Seite von Jacques Labre auch zum ersten Mal beim World Cup of Darts. Immerhin besiegten die beiden hier eine so renommierte Dartsnation wie Nordirland. Auch die Ukraine war chancenlos gegen Tricole und Labre, und so katapultierten sich die beiden auf den Spitzenplatz ihrer Gruppe. In der nächsten Runde bekamen sie es dann mit Schottland, d.h. Gary Anderson und Peter Wright zu tun. Das war doch eine Nummer zu groß, aber das Viertelfinale als Gruppensieger erreicht zu haben, war dennoch ein großartiger Achtungserfolg für die World Cup-Debütanten.

Bei seinem ersten Auftritt im Ally Pally wurde Thibault Tricole von Mario Vandenbogaerde gefordert. Auch der Belgier gab hier sein PDC-WM-Debüt, auch er hatte schon bei einer BDO-Weltmeisterschaft teilgenommen, wo er 2020 das Halbfinale erreichte, das aber dann 4:6 gegen den Waliser Jim Williams – wir sahen ihn gestern – verloren hat.

„The One and Only“ von Chesney Hawkes ertönte und the one and only „Super Mario“ betrat die Bühne. Tricole hatte sich für „Essentielles“ von Ibrahim Maalouf entschieden, wollte sich wohl auf das Wesentliche konzentrieren und die Voraussetzung dessen war bald deutlich vernehmbar: Game on. Der Belgier hatte das Ausbullen für sich entschieden, begann Leg Eins. Doch Thibault Tricole wollte sein allerstes Leg im Ally Pally nicht aus der Hand geben, holte das Break 1:0. Obwohl der Franzose den zweiten Durchgang nur mit mageren 45 Punkten gestartet hatte, machte er dies anschließend mit solidem Scoring wieder wett, bestätigte das Break, 2:0. Es lief gut für den 34-jährigen Frenchman, der den Nickname „The French Touch“ trägt, bis zu diesem Zeitpunkt hatte er den richtigen Touch ins Spiel eingebracht. Auch im dritten Durchgang servierte er mit der 160 einen perfekten Set-up-Shot. Aber auch Mario Vandenbogaerde wollte mitspielen, knallte dem Franzosen das High-Finish, 109 (T20, 17, D16) vor die Füße und schloss zum 1:2 auf. Inspiriert vom eigenen Glanzstück warf „Super Mario“ anschließend die erste 180 und vollendete den vierten Durchgang mit großer Selbstverständlichkeit zum Ausgleich, 2:2. Nach 0:2-Rückstand holte er sich auch noch das dritte Leg in Folge, 1:0 in Sätzen für Mario Vandenbogaerde.

Im zweiten Set, das diesmal Tricole begann, teilten sie sich die ersten beiden Durchgänge, 1:1. Dann das Break für den Belgier, der 2:1 in Führung ging. Im dritten Leg vergab „Super Mario“ zwei Checkout-Möglichkeiten, um auch den zweiten Satz einzustreichen, Thibault Tricole bestrafte die beiden Fehlwürfe umgehend, glich zum 2:2 aus. Auch in diesem Satz ging es in die Verlängerung, doch diesmal war es Monsieur Tricole, der sich den Decider schnappte, Satzausgleich 1:1. Im ersten Durchgang des dritten Satzes sah sich der Belgier massivem Double-Trouble ausgesetzt, „The French Touch“ stahl sich das Leg gegen den Anwurf, 1:0. Die Bestätigung des Breaks ging dann etwas lockerer vonstatten, Vandenbogaerde noch auf der 194, da hatte Tricole schon das 2:0 zementiert. Im dritten Durchgang gelang es „Super Mario“ endlich mal wieder, sein Leg durchzubringen, Anschluss zum 1:2. Viertes Leg, die 180 von Thibault Tricole, aber das High-Finish, 101 (20, T15, D18) von Mario Vandenbogaerde. Ausgleich 2:2. Drittes Set, dritter Decider: „The French Touch“ bewies, dass er auch sachkundiges Gespür für perfektes Timing hat. Seine nächste 180 genau im richtigen Augenblick, sicherte ihm die Satzführung zum 2:1.

Viertes Set: Hier brachte einfach nur jeder Spieler seinen Anwurf durch und – Überraschung: auch hier ging es über die volle Distanz. Folgerichtig gewann der Akteur, der Leg Eins, Drei und Fünf begonnen hatte, auch den Satz. Und das war Thibault Tricole. „Allons enfants de la Patrie, le jour de gloire est arrivé …“ Ruhm und Ehre hatten tatsächlich Einzug gehalten, in Form von Thibault Tricole, der ein weiteres Mal Geschichte geschrieben hat: er ist nun auch derjenige, der als erster Franzose überhaupt ein Match im Ally Pally gewinnen konnte. Gratulation an Monsieur Tricole.

Thibault Tricole 3:1 M. Vandenbogaerde
85,21 Average 85,59
3 180s 2
68 High Finish 109
0 100+ Checkouts 2
11/24 Finishing 9/35

Die Energieleistung des Tages

Die nächste Partie stand an: Gian van Veen gegen Man Lok Leung. Das konnte schnell gehen, in jeglicher Hinsicht. Gian van Veen musste sich im Endspiel der im November ausgetragenen Junioren Darts-WM, Luke Littler geschlagen geben. Jetzt möchte er sein Glück bei den „Erwachsenen“ versuchen. Den Startplatz verdankt er seiner Position 25 in der Pro Tour Order of Merit, da er hier der zweitbeste Spieler war, der sich noch nicht anderweitig hatte qualifizieren können. Bei seinen diesjährigen Debüts, beispielsweise der Darts-Europameisterschaft, wo der 21-jährige Niederländer gar bis ins Halbfinale vordrang, hinterließ er durchaus überzeugenden Eindruck.

Sein heutiger Gegner, Man Lok Leung, genannt „Hugo“, ist ein 24-jähriger Spieler aus Hongkong, der dieses Jahr bemerkenswert erfolgreich auf der Asian Tour unterwegs ist. Ich möchte hier ja kein Klischee bedienen … Oder doch, ich tue es einfach: wäre es nicht bezeichnend, wenn Man Lok Leung auf der Ally Pally-Bühne zumindest einmal das Shanghai-Finish spielen würde?! O.k., o.k., Hongkong ist nurmehr chinesische Sonderverwaltungszone, aber ich konnte trotzdem nicht widerstehen. Zurück zu „Hugo“. Auch er war schon bei der Junioren Darts-WM zugange, insgesamt dreimal: 2017, 2020 und 2022. Bei letztgenannter erreichte er das Viertelfinale, in dem er aber eine krachende 0:6-Niederlage gegen den Schotten Nathan Girvan einstecken musste. Was er sich heute vorgenommen hatte, besagte seine Einlaufmusik: „Let`s Fight“ von Ekin Cheng.

Und dann ging es auch schon los. Van Veen hatte Anwurf, Man Lok Leung holte sich das Leg, 1:0. Im zweiten Durchgang nagelte der Mann aus Hongkong bereits seine zweite 180 ans Board, das Break konnte er trotzdem nicht bestätigen, Re-Break zum 1:1. Auch das dritte Leg wurde gegen den Anwurf entschieden. 2:1 für Man Lok Leung. Das Break-Festival ging weiter, Gian van Veen mit dem High-Finish, 116 (T20, T8, D16). 2:2. Auch in diesem Match ging es zunächst über die volle Distanz. Erst in Leg Fünf gelang es einem Spieler, seinen Anwurf zu halten und das war der Niederländer, der somit mit der Satzführung in die Pause ging, 1:0.

Auch das zweite Set startete der durchgehend furios aufspielende Man Lok Leung mit einer 2:0-Führung, hatte dabei das Break im zweiten Durchgang mit High-Finish, 101 (T20, 1, D20) abgeräumt. Doch ähnlich wie im ersten Satz, ging ihm kurz vor der Ziellinie die Treffsicherheit aus. Was ihm überhaupt nicht ausging, war die Power der dynamischen Wurfbewegung und die Energie, nie aufzustecken. Trotzdem bekam er massive Checkout-Probleme, sobald sich der Satzgewinn näherte. Auch diesmal! So dass der niederländische Junioren WM-Vizechampion, der von seinem Gegner regelrecht ausgescort wurde – wer hätte gedacht, dass dies bei einem Gian van Veen möglich ist – wieder ins Spiel kam. Anschluss zum 1:2 und den darauffolgenden Ausgleich errang er sogar mit High-Finish, 112 (T20, 20, D16). 2:2. Auch bei diesem Set gab es den Decider, der ein bezeichnendes Beispiel für Man Lok Leungs Double-Trouble war. Acht Darts am Ziel vorbei, der letzte landete (beim Stand von 5 Punkten) gar in der Double-1 – was er da wirklich treffen wollte, werden wir vermutlich nie erfahren. 2:0 in Sätzen für Gian van Veen.

Ging heute Nacht eigentlich noch ein Flug nach Hongkong? Wahrscheinlich eher nicht, aber das war wohl auch nicht der einzige Grund, warum Man Lok Leung das Board weiterhin unverdrossen bearbeitete. Seinen Akku hatte er heute offensichtlich besonders voll aufgeladen, der junge Hongkonger ließ nicht einen Zentimeter nach. Déjà-vu im dritten Satz, wieder wartete van Veen, bis Man Lok Leung 2:0 in Führung lag, bevor er den Zielübergang des Gegners unterband, indem er Leg Drei einkassierte, 1:2. Doch diesmal verhinderte Leung die gegnerische Genugtuung, die Saat zu ernten, die er schon mehrfach gestreut hatte. In der Manier eines Mentalmonsters ließ er die Schranke runter, veranlasste den Kontrahenten, hilflos dagegen zu rumpeln und holte sich selbst das vierte Leg. Endlich hatte auch Man Lok Leung sein längst verdientes erstes Set eingeholt. 1:2.

Der Bann war gebrochen, und obwohl der Hongkonger seinem Gegner noch das erste Leg des vierten Sets überließ, gab es nun kein Halten mehr für den dynamischen 24-Jährigen. Drei Leggewinne in Folge, der Satzausgleich war absolut gerechtfertigt. 2:2. Es ging in den Entscheidungssatz, und man musste sich vier Wer-Fragen stellen: 1. Wer hätte beim Stand von 2:0 für den Niederländer noch einen Cent auf Man Lok Leung gesetzt? 2. Wer hätte gedacht, dass der Spieler aus Hongkong weitaus höhere Scoring-Power ans Board bringt, als ein Gian van Veen? 3. Wer hätte geglaubt, dass ein asiatischer WM-Neuling in einem Erstrundenspiel derart viele 180er ans Board nagelt? 4. Wer hätte angenommen, dass dieses Duell zweier Debütanten zum Match des Tages avanciert, wenn nicht gar des bisherigen Turniers?

Gian van Veen begann das Entscheidungsleg, doch es war eigentlich fast voraussehbar, dass Man Lok Leung mit Break 1:0 in Führung gehen würde. Das Break bestätigt, 2:0. Zwei Sets zu gewinnen, ist das eine, den letzten Schritt zum Matchgewinn zu machen, das andere. Im dritten Durchgang Matchdart ausgerechnet auf Bullseye. Die Gelenke wurden schwerer, Leung prüfte nochmal, ob der Arm noch beweglich funktionierte oder schon in Schockstarre gefallen war, kurze Sekundenmassage – ja, alles irgendwie noch bewegungstauglich. Mehrfach Anlauf genommen, dann der Wurf auf Bullseye … ein halber Millimeter vorbei, da passte kein Blatt dazwischen. Gian van Veen zwar mit resigniertem Gesichtsausdruck, doch diese letzte Chance nutzte er doch noch, 1:2. Vierter Durchgang: auch der zweite Matchdart landete oberhalb des Doppelfeldes. Aber diesmal hatte Man Lok Leung etwas mehr Zeit, der Niederländer noch auf der 171. So kam der Spieler aus Hongkong nochmal dran und der dritte Matchdart saß da, wo er sitzen sollte, in der Double-20.

Höchste Zeit für die fünfte Wer-Frage: wer hätte gedacht, dass der eindeutige Spieler des Tages, egal, was heute noch passieren würde, Man Lok Leung heißt. Der junge WM-Debütant aus Hongkong hämmerte elf 180er ins Board und das in einem Erstrundenduell. Zum Vergleich, High-Scorer Gian van Veen schaffte gerade mal drei derer. Auch im Average lag er mit etwas über 87 fast zehn Punkte unter seinem Gegner (96,26). Mit seiner hervorragenden Saison 2023 im Rücken hatte Gian van Veen den unbekannteren Kontrahenten möglicherweise im Vorfeld auch nicht ernst genug genommen. Welche Bedeutung die Quintessenz der Einlaufhymne „Let`s Fight“ für Leung hat, konnte man heute auf jeden Fall nachvollziehen. Als kleines Sahnehäubchen obendrauf die Info: Man Lok Leung ist der Zweitrundengegner von Gabriel Clemens. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Man Lok Leung 3:2 Gian van Veen
96,26 Average 87,53
11 180s 3
101 High Finish 116
1 100+ Checkouts 2
13/35 Finishing 9/17

Erholungspause für die Nerven

Es ging in die letzte Erstrundenpartie des vierten Spieltags: Martin Lukeman gegen Haupai Puha. Der 38-jährige Lukeman ist so oft präsent, dass man sich fast ein wenig darüber wundert, aber der Engländer war in der Tat erst bei einer WM dabei. 2023 und da verlor er in der zweiten Runde gegen …? Genau, gegen Martin Schindler und zwar relativ deutlich 1:3. Dass er beim German Darts Grand Prix 2022 in München einen belly dancing Walk-on präsentierte, während der Titel seiner Einlaufmusik den wenig schmeichelhaften Titel „Lip Up Fatty“ (von Bad Manners) trägt – dazu erspare ich mir jetzt jeglichen Kommentar. Dass er in besagtem Turnier im Finale stand und dieses nur gegen einen famos aufspielenden Luke Humphries verlor, ist schon eher kommentierungswürdig. Da darf man dann aber auch mal mit dem Bäuchlein wackeln (seine Frau fand`s gar nicht lustig, verbot ihm strikt die Wiederholungtat).

Sein heutiger Kontrahent Haupai Puha, ein 38-jähriger Spieler aus Neuseeland, der den schönen Nickname „Hopes“ erhalten hat. Auch Haupai Puha kennt den Ally Pally schon, 2021 hat er hier in der ersten Runde 0:3 gegen den Nordiren Mickey Mansell verloren. 2022 versuchte es der Neuseeländer bei der WDF-WM, aber auch hier war in der ersten Runde Schluss. Der Gegner hieß da Ben Hazel aus England, mit 1:2 war die Niederlage nicht ganz so deutlich, aber mit Sicherheit ebenso schmerzhaft.

Das letzte Erstrundenduell des Abends war eine relativ einseitige Angelegenheit. Martin Lukeman mit sehr solider Performance, dominierte seinen Gegner nach Belieben, vor allem weil der so gar nicht ins Spiel fand. Die ersten zwei Durchgänge reine Formsache für Lukeman. Das dritte Leg holte er sich gar mit High-Finish, 114 (20, T18, D20). 1:0 in Sätzen. Dem ließ der Engländer mit dem Spitznamen „Smash, im ersten Leg des zweiten Sets gleich das nächste High-Finish folgen, die 110 (T20, 18, D16) und es hieß 1:0. Lediglich im zweiten Durchgang nahm sich Lukeman eine denkbar kurze Auszeit, er bekam die 31 nicht raus, und Haupai Puha konnte sich endlich sein erstes Leg des Abends sichern. Der Neuseeländer schien regelrecht glücklich, dass er sich zumindest nicht die Blöße einer Nullnummer geben musste. Das war ihm schon mal definitiv erspart geblieben und man sah ihm an, dass er sich dessen bewusst war. 1:1. Doch Martin Lukeman hatte sein kleines Päuschen schon wieder beendet, dritter und vierter Durchgang wurden solide heruntergespielt. 2:0 in Sätzen für „Smash“.

Im dritten Set machte Haupai Puha dann seinem Nickname „Hopes“ alle Ehre, wollte nicht hoffnungslos entmutigt die weite Heimreise nach Neuseeland antreten und ließ nochmal sein durchaus vorhandenes Können aufblitzen. Dazu brauchte es eine Taktik. Haupai Puha warf die 180 und prompt klappte es auch mit seinem zweiten Leggewinn. 1:0. Zweiter Durchgang: Martin Lukeman stellte fest, dass sich die Double-18 äußerst widerspenstig verhielt, die Double-9 lag ihm besser, Ausgleich 1:1. Der Neuseeländer hatte derweil sein Schema gefunden, im dritten Durchgang wieder eine 180 und der nächste Leggewinn, 2:1. Das gleiche probierte er in Leg Vier: abermals warf er eine 180, und obwohl er sechs Setdarts benötigte, das Konzept ging auf. Somit erster Satzgewinn für Haupai Puha. 1:2. Martin Lukeman war nicht entgangen, wie gut diese Methode klappte, und so warf er im ersten Leg des vierten Satzes ebenfalls die 180 und holte sich gleichfalls das Leg, 1:0. Dann entsann er sich wieder seiner eigenen Tugenden, die hießen solides Scoring und konstantes Auschecken, und mit dieser Philosophie im Gepäck, sammelte er auch Durchgang zwei und Drei wieder ein. 3:0 in Sätzen und ein zufriedener Martin Lukeman in der zweiten Runde, wo Damon Heta auf ihn wartet. Auch bei Haupai Puha hatte man irgendwie das Gefühl, dass der Neuseeländer sein Mindestsoll doch noch erfüllt hatte und immerhin nicht völlig unzufrieden aus dem Turnier gehen musste.

Martin Lukeman 3:1 Haupai Puha
92,03 Average 88,45
2 180s 3
114 High Finish 80
2 100+ Checkouts 0
11/22 Finishing 4/17

Ohne Kopfhörer, aber mit kraftvoller Passion ans Werk

Zum Abschluss des vierten Spieltags die Zweitrundenpartie, Gerwyn Price gegen Connor Scutt. Der Waliser, der sich nicht wirklich mit dem Ally Pally anfreunden kann, was in erster Linie an dem stets frostigen Empfang seiner Person liegt, weiß, wie man sich unbeliebt machen kann. Im Vorfeld kam sein Vorschlag, den Austragungsort der WM künftig zu verlegen. Am besten nicht nur weg vom Alexandra Palace, sondern auch raus aus London, bestenfalls könnte man sogar England den Rücken kehren und mit international wechselnden Austragungsorten arbeiten. Deutschland könne er sich ganz oben auf seiner Venue-Wunschliste vorstellen. Natürlich räumte er auch ein, dass diese Gedanken subjektiv motiviert seien, denn es ginge ihm in erster Linie darum, dass er persönlich dort bessere Chancen habe, wo er freundlicher empfangen werde. Wir erinnern uns an das Anfangsstadium seiner Darts-Karriere, als er vorgab, dass der Gegenwind mit Buhrufen ihn noch zusätzlich motivieren würde. Es sah aus, als ließe er Missfallensäußerungen wie einen Rugby-Ball einfach an seiner muskelbepacktem Brust abprallen. Diese Zeit scheint endgültig vorbei zu sein. Inzwischen gibt er unumwunden zu, dass das Bad Boy-Image ihm nicht wirklich in die Karten spielt, dass auch er die Unterstützung der Menge genießt.

Connor Scutt hatte in der ersten Runde Krzysztof Kciuk 3:0 gefrühstückt, aber der eigentliche Prüfstein …, was sage ich – Stein? Ein massiver Felsbrocken, der wartete heute auf ihn. Und Gerwyn Price zeigte von der ersten Aufnahme an, wie rutschig es für den Gegner auf einem Gletscher sein kann. Das Match startete der „Iceman“ mit der 180, Leg Eins, Zwei und Drei im Nu eingetütet, 1:0. Im zweiten Durchgang auch mal eine 180 für Connor Scutt, aber die Legs Eins, Zwei und Drei abermals auf dem Konto von Gerwyn Price, 2:0 in Sätzen.

Das dritte Set konnte der „Sniper“ dann ein wenig ausgeglichener gestalten. Den Grundstein dafür legte er in Durchgang Eins, den er mit High-Finish, 121 (T17, T10, D20) beendete, womit er zum ersten Mal in einem Satz in Führung ging, 1:0. Beide mit einer 180 im zweiten Durchgang und der Leggewinn für den Waliser, 1:1. Im dritten Leg ebenfalls zweimal die 180, doch dieses Mal zeichnete Gerwyn Price dafür alleinverantwortlich. Zweimal das Maximum machte den Leggewinn schier unumgänglich, 2:1. Im vierten Leg fand der Weltmeister von 2021 den Ausgang aus dem Madhouse nicht, der Engländer nutzte die kurzzeitige Orientierungslosigkeit des Gegners zum Ausgleich, 2:2. Dennoch hatte man keine Sekunde das Gefühl, Connor Scutt könnte auch nur den Hauch einer Chance haben, den „Iceman“ langfristig aus dem Spiel zu nehmen. Im fünften Leg nahm der ehemalige Rugby-Profi die 96 konsequent vom Board, das 3:0 und somit der Sieg eingetütet.

Gerwyn Price 3:0 Connor Scutt
98,01 Average 88,83
5 180s 3
96 High Finish 121
0 100+ Checkouts 1
9/23 Finishing 2/10

Auch wenn es heute nur eine Abendsession gab, die nervenaufreibenden Partien haben für doppelt erhöhten Pulsschlag gereicht. Ein Franzose, der Geschichte geschrieben hat, ein Debütant aus Hongkong, der die nicht existente Wahl zum Spieler des Tages gewann, ein solide aufspielender „Bauchtänzer“ und ein Gerwyn Price in großartiger Form – alles in allem Hochgenuss par excellence. Schon morgen die zwei nächsten deutschen Spieler am Start: Ricardo Pietreczko und Dragutin Horvat – höchste Zeit für den Abschiedsgruß: stay bright, nice flight!

Fotos © PDC @ Darts1

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