Spieler im Fokus – WM-Special

Im Januar dieses Jahres haben wir von Darts1 mit dem Spieler im Fokus angefangen. In dieser Kolumne beäugten wir Spieler, in denen wir das Potential sahen, dass sie über kurz oder lang eine erfolgreiche Kariere hinlegen und vielleicht auch das eine oder andere Major Event gewinnen könnten. Einige von ihnen übertrafen die Erwartungen, andere erfüllten die Prognose und wieder andere blieben noch hinter den Möglichkeiten zurück.

In dieser Ausgabe werden wir nun den Blick nicht auf einen bestimmten weiteren Spieler werfen. Wir schauen auf die eher unbekannten Akteure der diesjährigen Weltmeisterschaft und ordnen ihre Chancen ein. Viele heutige Profis spielten sich bei einer WM in den Fokus, machten Sponsoren auf sich aufmerksam und konnten so überhaupt erst eine Karriere starten. Aber wer von den diesjährigen „Exoten“ hat Potential hierzu?

Nitin Kumar – Das Tier

Der Inder Nitin Kumar gab sein Debüt bei der Weltmeisterschaft. Ihn hat es leider bereits erwischt, er unterlag im Auftaktspiel der WM Jeffrey de Zwaan, dem Spieler im Fokus des Monats März. Es war vom Ergebnis zwar eine klare Angelegenheit, er unterlag mit 0:3 nach Sätzen, doch im Spiel war es deutlich enger. Kumar, der als Spitzname „The Animal“ trägt, hatte keinerlei Berührungsängste. Dabei kannte er die große Bühne bisher lediglich vom World Cup of Darts vor drei Jahren, als er und sein Landsmann Ashfaque Sayed, ein herrlicher Name, gegen das deutsche Duo Hopp/Artut mit 0:5 unterlag. Nachdem ihm der erste Dart gegen de Zwaan noch abrutschte, saß der zweite aber schon im Triple. Er lieferte dem Niederländer vor allem im zweiten Satz einen echten Kampf und hätte diesen auch verdient gehabt. Am Ende siegte jedoch die Erfahrung. Dennoch zeigte er, dass er großes Potential hat und er wird auch noch in Europa bleiben. Er möchte sich in diesem Jahr an der Q-School probieren und womöglich eine Tour Card gewinnen. Mit einer so kühlen Performance wie gegen Jeffrey ist dies, zumindest über die Rangliste, durchaus möglich und so wäre eine annehmbare Karriere drin. Zudem wäre er als ein Aushängeschild Indiens sicherlich auch reizvoll für Barry Hearn.

Prognose: wird im kommenden Jahr auf der Pro Tour spielen und mindestens ein Mal ein Viertelfinale erreichen.

José de Sousa – der Portugiese aus Spanien

José de Sousa ist ebenfalls ein eher unbeschriebenes Blatt. Der Mann aus Lissabon ist mit seinen 44 Jahren allerdings schon einer der erfahreneren Sorte. Er lebt im spanischen Tarragona, ein Ort der vor allem für einen tragischen Unfall auf einem Campingplatz bekannt ist, es gab sogar mal einen zweiteiligen Film mit Tim Bergmann und Sophie van Kessel dazu. Aber zurück zum Stück. De Sousa spielte bereits lange größere Turniere, konnte vor fast auf den Tag genau neun Jahren sogar den Titel bei den Catalonia National Championships gewinnen. Er hatte schon immer Ambitionen auf eine Karriere, versuchte sich daher auch schon bei der Q-School im Jahr 2017. Und beinahe hätte er auch die Tour Card gewonnen. An drei Tagen flog er früh raus, doch an dem anderen legte er einen brillanten Lauf hin und spielte sich über Zoran Lerchbacher bis ins entscheidende letzte Spiel. Dieses verlor er dann allerdings gegen Royden Lam und so verpasste er die Tour Card. Ich gehe davon aus, dass er gegen Michael Barnard, der auf der Challenge Tour in diesem Jahr das Maß aller Dinge war, den Kürzeren zieht. Aber ich bin sicher, er wird einen weiteren Anlauf bei der Q-School versuchen. Dort wird er es aber wohl schwer haben.

Prognose: wird frühestens bei der nächsten WM wieder in Erscheinung treten.

Jim Long – Inspektor even longer

Jim Long klingt jetzt erst mal irgendwie nach Asien. Aber nein, der 50-Jährige kommt aus London. In Kanada. Verwirrend. Jim ist selbstverständlich auch schon sehr lange im Dartsport vertreten. Seine ersten größeren Turniere spielte er im Jahr 2006, jedoch bewegte er sich vorwiegend im nordamerikanischen Raum. Dort nahm er auch im Jahr 2011 an Players Championship Turnieren der PDC teil, unterlag jedoch jeweils in der Runde der letzten 64 gegen John Henderson bzw. Ronnie Baxter. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft diesen Jahres kam aber schon ziemlich überraschend. In der Rangliste des Championship Darts Circuit schloss er auf Platz 3 ab, war damit aber der beste Kanadier und kam so zur WM. Dort hat er mit Michael Mansell keine unmögliche Aufgabe und würde bei einem Sieg danach auf den schwankenden Benito van de Pas treffen. Die Auslosung meinte es gut mit Long, jedoch würde er es wohl wie die meisten Nordamerikaner bei der WM belassen und das Jahr über eher in der Heimat spielen. Eine Profikarriere bei der PDC sehe ich bei ihm eher nicht.

Prognose: see you in Vegas!

Craig Ross – The Rock

Wir blicken als nächstes nach Ashburton, Neuseeland. Dort finden wir in Craig Ross einen Spieler, über den noch sehr wenig bekannt ist. Seinen bisher einzigen, größeren Turniersieg feierte er im Jahr 2009 beim Alan King Memorial, als er sich im Endspiel gegen Graeme Ryder durchsetzte. Generell spielte er bisher eher in seiner Heimatregion und war dort lange Zeit auch eher unter dem Radar. Doch er entschloss sich in diesem Jahr einen Versuch zu wagen und an der Qualifikation für die WM teilzunehmen. Dies misslang jedoch, da er im Endspiel Tuhuna Irwin mit 2:7 klar unterlag. Dieser aber sagte die Teilnahme am größten Turnier des Jahres ab und so rückte Craig dann doch noch nach. Er wird es in der ersten Runde mit Antonio Alcinas zu tun bekommen und vermutlich keine Chance haben. Die Eindrücke vor so einer Kulisse werden ihn umhauen und genauso wird das auch Toni tun.

Prognose: er wird seinen Auftritt genießen, das war es dann aber auch.

Yuanjun Liu – der Chinese

Über die asiatischen Teilnehmer bei PDC-Turnieren freue ich mich persönlich immer ganz besonders. Sei es ein Paul Lim, den einfach jeder mag oder auch ein Wenge Xie, der einst beim World Cup of Darts 2016 gegen Adrian Lewis die Herzen der Fans im Sturm eroberte. Bei dieser Auflage des World Cups war auch Yuanjun Liu vertreten, er war der Partner von Xie und unterlag gegen Phil Taylor. Auch im darauf folgenden Jahr trat er wieder an, er kennt somit die größere Bühne bereits. Nach einem Sieg gegen Xaiochen Zong qualifizierte sich Liu nun also auch erstmals für die Weltmeisterschaft. Sein Gegner ist Brendan Dolan und der sollte gehörig aufpassen. Liu ist wie die meisten Asiaten ein eiskalter Spieler. Er wird keine großen Anzeichen von Nervosität zeigen und einfach sein Spiel spielen. Dolan ist lange nicht mehr der Top-16-Spieler von einst und wird große Probleme bekommen, sollte er auf die Doppel nicht seine früher so herausragende Stärke zeigen.

Prognose: Liu wird Dolan besiegen, dann aber an Joe Cullen scheitern, danach geht es zurück nach China.

James Bailey – The Bull

Der „Iceman“ war einst Alan Warriner-Little, nun ist es Gerwyn Price. Und „The Bull“ war einst der allseits beliebte Terry Jenkins, nun ist es eben James Bailey. Spitznamen werden weitergegeben, wie auch Peter Hudson im Bezug auf Craig Ross bemerkt haben wird, aber in die Fußstapfen vorheriger Träger kann nur selten getreten werden. James wird es trotzdem versuchen. Auch er hat einen weiten Weg hinter sich, kommt aus Australien, genauer gesagt aus Melbourne. Wohnhaft ist er jedoch in Durack. Bailey ist gar nicht mal so unbekannt. Der 49-Jährige verbrachte im vergangenen Januar ein wenig Zeit in Großbritannien und spielte die Q-School. Dort kam er jedoch nur an einem Tag über die zweite Runde hinaus. Er blieb aber noch eine Weile und konnte sich auf der Challenge Tour immerhin ein Mal bis in die Runde der letzten 32 spielen. Sein wichtigster Sieg folgte jedoch beim Oceanic Masters, wo er unter anderem Damon Heta schlug und sich mit dem Turniersieg zur WM kämpfte. Es ist seine erste und sie wird nicht lange dauern. Mit Steve Lennon hat er einen zu starken Erstrundengegner und wird ausscheiden. Aber er scheint nochmal einen Anlauf in Richtung Profikarriere wagen zu wollen und wird sicher erneut an der Q-School teilnehmen.

Prognose: wird bei der Q-School keine Tour Card holen.

Chuck Puleo – der US-Amerikaner

Wo ist Darin Young? Ja, den sucht man in diesem Jahr vergebens. Und der Grund heißt Puleo. Gott sei Dank nicht Polio. Chuck Puleo hat es in der CDC-Wertung auf den ersten Platz und damit knapp vor seinen Landsmann geschafft, der mit zwei Punkten Rückstand auf Rang zwei landete. Eine durchaus beeindruckende Leistung, die Chuck damit natürlich zur Weltmeisterschaft brachte. Er ist ein sehr interessanter Spieler, der erst seit 2017 größere Turniere spielt. Aber seitdem hat er es bei jedem der Events auf denen er teilnahm immer mindestens bis ins Viertelfinale geschafft. Eine starke Leistung, vor allem konstant. Nun darf er also zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft teilnehmen und sein Land vertreten, was für US-Amerikaner ja bekanntlich immer noch ein Stückchen besonderer ist als für andere. Und dort, bei dieser WM, bekommt er es ausgerechnet mit einem der Geheimfavoriten zu tun. Puleo trifft in Runde eins auf Dimitri van den Bergh und wird damit wohl ausscheiden. Doch ich traue ihm zu, dass er einen Satz holen kann und somit immerhin mal eine Duftmarke setzt. Ob er in der Folge auch für die Q-School bleibt, wird man abwarten müssen. Die Nordamerikaner bleiben ja gerne mal in ihrer gewohnten Umgebung und liefern dort ihre Leistungen ab. Doch ich persönlich würde ihn gerne etwas länger bei der PDC sehen.

Prognose: wird überraschen, gut spielen, jedoch an der Auslosung scheitern

Noel Malicdem – der Unbekannteste

Wer ist eigentlich Noel Malicdem? Er kommt von den Philippinen, aus Pasig City um genau zu sein. Qualifiziert hat er sich über seinen dritten Platz auf der Asian Tour, wo er zwei Turniere für sich entscheiden konnte. Er ist neben dem bereits gut bekannten Lourence Ilagan der zweite Mann der Philippinen, die damit in diesem Jahr erstmals mehr als einen Akteur stellen. Und Malicdem ist gefährlich. Nicht nur, weil ihn kaum jemand kennt. Er hat bewiesen, dass er keine Berührungsängste hat. Beim ersten Asian Tour Event erreichte er direkt das Finale und warf sogar einen 9-Darter und schlug an diesem Tag auch seinen bereits angesprochenen Landsmann. Malicdem kann Dart spielen. Und das wird auch Jeffrey de Graaf zu spüren bekommen, dieser trifft in der ersten Runde nämlich auf Noel. Sollte Malicdem dort gut ins Spiel finden und vielleicht den ersten Satz holen, könnte de Graaf bereits ins Grübeln kommen und dann kann Malicdem zuschlagen und durchaus in die nächste Runde einziehen. Dort würde er es mit Kyle Anderson zu tun bekommen, der auch nicht sein bestes Jahr hatte. Es wird spannend.

Prognose: wird seinen Erstrundengegner überraschen.

Fazit:

Schauen wir also auf die acht „Exoten“ der diesjährigen Weltmeisterschaft sehen wir, dass nur die wenigsten davon auch für Größeres bestimmt zu sein scheinen. Allerdings ist das ja auch einer der Reize der WM und mit ein Grund warum es gut ist, dass sie weiter vergrößert wurde. Die Weltmeisterschaft lebt auch von Momenten, wenn Underdogs die größeren Namen ärgern können. Auch wenn sie vielleicht nicht weiterkommen, so ziehen sie die Zuschauer auf ihre Seite und bleiben in Erinnerung. Jim Long, Yuanjin Liu und Noel Malicdem könnten durchaus die zweite Runde erreichen und damit etwas bekanntere Namen aus dem Turnier werfen. Das meiner Meinung nach heißeste Eisen, Chuck Puleo, hatte bei der Auslosung einfach Pech und wird damit wohl nach nur einer, hoffentlich dennoch guten, Partie wieder nach Hause fliegen müssen. Der Mann, der auch längerfristig bei der PDC Erfolg haben könnte, und wenn es eben nur die Teilnahme an dem einen oder anderen TV-Turnier ist, ist Nitin Kumar. Dieser könnte Barry Hearns Schlüssel für den indischen Markt sein. Allesentscheidend wird dabei aber die Q-School sein. Ob das alles so kommt werden wir sehen. Bis dann!

Tobias Gürtler


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