UK Open 2024 – Finale: Das Wort „Drama“ hat hier nochmal an Bedeutung gewonnen

Seit den Achtelfinals war klar, dass es generell einen neuen Namen auf der UK Open Champion-Liste geben würde, seit den Halbfinals wussten wir auch, wer dafür noch in Frage kam: Luke Humphries oder Dimitri Van den Bergh.

Luke Humphries hatte zumindest schon einmal in einem UK Open-Finale gestanden, das war 2021, wo er aber James Wade deutlich mit 5:11 unterlag. Heute stand natürlich ein ganz anderer Luke Humphries am Oche als noch vor drei Jahren. Aber auch Dimitri Van den Bergh ist mittlerweile ein anderer Spieler, als der, der in letzter Zeit eine ernüchternde Durststrecke hinter sich bringen musste.

Auch im Finale ging es über „Best-of-21-Legs“, den ersten von den möglichen 21 Durchgängen begann Dimitri Van den Bergh. Beide zum Start von gediegenem Double-Trouble begleitet, der Belgier fand dem Umstand trotzend, den Weg schneller ins Ziel, 1:0. Im zweiten Leg konnte Dimitri Van den Bergh gleich einen Gang nach oben schalten, den 12-Darter schloss er mit High-Finish ab, indem er 124 Punkte mit Triple-20, 14 und Bullseye herausnahm. 2:0. Im dritten Durchgang leistete sich jeder seine Aussetzer, der eine mehr, der andere weniger – der „Dreammaker“ holte das 3:0. Luke Humphries hatte bis dahin unerklärliche Schwächen an den Tag gelegt, die er aber im fünften Durchgang weitestgehend abstellte, und so sicherte er sich mit 13 Darts seinen ersten Leggewinn, 1:3. Das war aber nur eine Momentaufnahme, denn ein Leg später war der „Humphries-Express“ wieder komplett zum Stillstand gekommen. Im fünften Durchgang war Dimitri Van den Bergh nach zwölf Würfen bereits auf die 12 heruntergeklettert, da hockte der Weltmeister noch auf dem Restbetrag von 266 Punkten. Und auch wenn es mit der nächsten Aufnahme noch nicht klappen wollte, der fünfte Versuch des Belgiers landete im Doppel, womit er seine Führung auf 4:1 ausbaute. In Durchgang Sechs war es dann Van den Bergh, der noch die 207 betrachtete, während „Cool Hand Luke“, diesmal ohne Umschweife, das 2:4 verbuchte. Allerdings waren es beim Antwerpener immer nur minimal kleine Pausen, die er einlegte, dann war er sofort wieder zur Stelle und setzte zum nächsten Lauf an. Mit der 130 als Set-up-Shot im siebten Leg, sicherte er sich das 5:2, und als der Weltranglistenerste im achten Durchgang einmal mehr etliche Chancen aufs Doppel liegen ließ, war auch das 6:2 nurmehr eine Frage der Zeit. Die Beständigkeit, die Luke Humphries in diesem Finale ganz gravierend fehlte, förderte auf der anderen Seite Dimitri Van den Bergh umso deutlicher zutage. Die Älteren von uns werden sich noch erinnern: hatte der Belgier nach dem Halbfinale nicht etwas von „viel Energie“ gesagt? Da war wohl was dran, an dieser Behauptung. Denn während sich Humphries mit seiner Unbeständigkeit selbst ein wenig demoralisierte, hatte der Gegner in diesem Finale immer mehr Fuß gefasst und pumpte sich weiter zu Höchstleistungen auf. Beleg dafür war nicht zuletzt ein ultrasouveränes 7:2, der „Dreammaker“ schien nicht mehr zu stoppen zu sein. Doch kaum war dieser Eindruck entstanden, da hatte Luke Humphries doch noch das Bremspedal gefunden, mit dem er sein Gegenüber wirkungsvoll aufhalten konnte: konstanteres Scoring und zielsicheres Checkout. Damit verhinderte er zumindest zwei weitere Legverluste und verschaffte sich wieder etwas Luft, 4:7. Doch der Sauerstoff ging ihm ganz schnell wieder aus, als er den zwölften Durchgang mit sechs perfekten Darts startete und das Leg trotzdem noch abgeben musste. Wie konnte sowas passieren? Ganz einfach! Indem Dimitri Van den Bergh Aufnahmen von 140 – 131 – 100 und 130 spielte. Das High-Finish hatte er mit zweimal Triple-20 und der Double-5 gelöscht, schon stand es 8:4 für ihn.

Einer, der den Begriff „aufgeben“ nicht im Sortiment führt

Luke Humphries konnte sich über die erneute Legniederlage natürlich nicht freuen, aber es ärgerte ihn offensichtlich auch nicht genug, als dass es ihn entmutigt hätte. Gerade bei der WM hatte er bewiesen, dass er immer für ein weltmeisterliches Comeback zu haben ist. Und so wanderten Leg 13 bis einschließlich Leg 16 schnurstracks auf sein Konto. Gut, im 14. Durchgang hätte ihm der Gegner um ein Haar mit dem 164er-Checkout einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch das Bullseye hatte sich in dem Moment offenbar mit dem Kontrahenten verbündet, und so konnte Dimitri Van den Bergh hier nur 25 Punkte herausnehmen. Im 15. Durchgang hatte Luke Humphries seinerseits das High-Finish erzielt und 116 Punkte mit Triple-20, 16, Double-20 eliminiert. Es war ein Wahnsinnsfinale von beiden! „Cool Hand Luke“ hatte nach 0:3, 1:4, 2:7 und 4:8-Rückstand weltmeisterlich noch den Ausgleich erkämpft. 8:8. Aber auch Dimitri Van den Bergh ist zu loben, denn er hatte diese Führungen ja überhaupt erst hergestellt. Beide lieferten ein Duell der Extraklasse! Ab Durchgang 17 war irgendwie alles wieder auf Anfang gestellt, es ging nun um das „Best-of-5“-Resultat, und wie zu Matchbeginn hatte auch diesmal der Belgier den Anwurf im nachfolgenden Leg. Spätestens ab hier hatte Dimitri Van den Bergh seine zwischendurch doch abhandengekommene Selbstsicherheit zurückgefunden, und so feuerte er 14 effektive Darts ins Board, womit er abermals in Front ging. Wie er dabei 97 verbliebenen Punkten mit zwei Darts auf direktem Weg den Garaus machte, war besonders imposant. 9:8. Im 18. Durchgang hätte es für Humphries der „Big Fish“ sein müssen, um sich die Chance auf seinen eigenen Anwurf zu wahren, doch bereits der zweite Triple-20-Versuch scheiterte kläglich. Van den Bergh bestrafte dies mit dem Break und baute seine Führung auf 10:8 aus. Nun fehlte dem 29-jährigen Belgier nurmehr ein Leggewinn zum Titel. Und er hatte im nächsten Leg den Anwurf. Weil er sich der Wichtigkeit dieses Legs bewusst war, nahm sich Dimitri Van den Bergh nochmal einen Moment. Aber anstelle in sich zu gehen und sich zu sammeln, von mir aus auch mit seinen einstmals praktizierten Atemübungen auf der Bühne, stattdessen fing der Protagonist aus Antwerpen nun an, diese Anlaufphase unnötig zu zelebrieren, was für meinen Geschmack ein wenig „too much“ war. Das konnte ich nicht als die feine englische Art bewerten, auch nicht als die feine belgische, weil diese Verzögerung Luke Humphries sichtbar nervte und somit der Gegner aus dem Takt gebracht wurde. Bewusst oder unbewusst, völlig egal – es ist kein Sportsmanship und kein Fairplay. Wenn man dem Publikum erst zuprostet, bevor man genüsslich ein paar Schlucke nimmt, so ist das einfach zu viel des Guten, aber o.k., jeder nach seiner Façon. Luke Humphries fühlte sich auf jeden Fall hingehalten – und er zeigte Wirkung.

Als das Finale schließlich im Drama gipfelte

Nach diesem kleinen Scharmützel ging es mit dem Spiel weiter. Dimitri Van den Bergh präsentierte starkes Scoring, Luke Humphries eher starke Aussetzer. Mit etlichen großartigen Treffern hatte sich der Belgier der Ziellinie genähert, doch als es darum ging, diese auch zu überschreiten, verließen sie ihn. Fünf Matchdarts am Doppel vorbei, es war unfassbar, wie Van den Bergh seine Chancen wegwarf. Der Engländer hatte zwischenzeitlich den Eindruck gemacht, als wenn er die Hoffnung auf das Match längst begraben hätte, so traf er auch kaum noch das anvisierte Segment. Doch als er bemerkte, dass sich sein Gegner doch schwerer tat als erwartet, beim Versuch den Deckel aufs Match draufzumachen, da erwachte Humphries Instinkt wieder, und sukzessive hatte er sich auf die 68 heruntergeschlichen und mithilfe von 5, 13 und Bullseye, gelang ihm doch noch das 9:10. Nun war der Höhepunkt des Dramas schon fast erreicht, denn im 18. Durchgang ereilte die beiden ein ähnliches Szenario. Mit absoluter Treffsicherheit holte Dimitri Van den Bergh in diesem Leg gleich zweimal die 180 raus. Auch hier war man sich sicher: das lässt der sich nicht mehr nehmen! Und kaum hatte man die Annahme zu Ende gedacht, schon wanderte der sechste Matchdart ins Aus. Ebenso wie im vorausgegangenen Durchgang hielt auf der anderen Seite Luke Humphries sämtliche Nervenstränge nochmal eng beieinander und nahm so den nächsten Leggewinn an sich. 10:10. Entgegen aller bisherigen Vorzeichen ging es über die volle Distanz. Im Entscheidungsleg hatte Dimitri Van den Bergh Anwurf, beide waren ordentlich unterwegs, da der Belgier aber auch einige Aussetzer dazwischen streute, war es in diesem Leg Luke Humphries, der die erste Möglichkeit zum Checkout erhielt. Genau genommen waren es sogar zwei Möglichkeiten. Doch beide verpasste der Weltmeister. Dimitri Van den Bergh kehrte ein weiteres Mal ans Oche zurück – und dann war es passiert: der siebte Matchdart saß im Ziel. 11:10 für den „Dreammaker“, der sich seinen Traum vom zweiten Major-Triumpf verwirklichte.

Was war das für ein grandioses Turnier? Mit einem hochdramatischen Finale, das an Aufregung kaum zu überbieten war. Man hatte mit vielen Namen gerechnet, Dimitri Van den Bergh war nicht unbedingt ganz oben auf der Favoritenliste zu finden. Nach 2022 (Danny Noppert) und 2023 (Andrew Gilding) setzte sich zum dritten Mal in Folge der „Underdog“ durch. Der UK Open-Champion 2024 heißt Dimitri Van den Bergh – man kann nur gratulieren. Und sich bedanken, bei all denen, die uns derart fesselnde Matches geliefert und für höchste Spannung gesorgt hatten. Damit verabschieden wir uns aus Minehead und wünschen wie gehabt: stay bright, nice flight!

UK Open


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